Vedrana Brkic ist Stubo am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg Hagen

Inwieweit spielen Stipendien an Ihrer Schule eine Rolle? Warum halten sie das Thema für wichtig?

Das Thema Stipendien befindet sich an unserer Schule noch in Kinderschuhen. In den vergangenen Jahren wurden einzelne SchülerInnen für die Studienstiftung des deutschen Volkes vorgeschlagen, aber es gab noch kein ausgereiftes System bzw. keine nennenswerte Empfehlungskultur.
Im Rahmen meiner Arbeit im Studien- und Berufsorientierungsteam habe ich angefangen, mich in den letzten zwei Jahren mit dem Thema gezielt auseinanderzusetzen, weil ich daran glaube, dass Stipendien den Schul- und Lebensweg der SchülerInnen verändern können. 
Das Besondere an der Schulform des Berufskollegs ist nicht nur der berufliche Bezug in allen Bildungsgängen, sondern auch die Tatsache, dass diese Schulen oft von SchülerInnen gewählt werden, die ihren Schulabschluss nicht auf dem direkten Weg erlangen konnten. Das Berufskolleg bietet Ihnen eine zweite Chance, einen erfolgreichen Schulweg zu gehen. Oft sind es eben diese SchülerInnen, die auf diesem Weg eine zusätzliche Unterstützung benötigen. Deshalb glaube ich, dass es unabdingbar ist, an unserer Schule eine feste Empfehlungskultur zu etablieren.

Wie haben Sie die Vorschlags- und Empfehlungskultur systematisiert?

Innerhalb des Kollegiums gibt es ein Team von fünf KollegInnen, die als AnsprechpartnerInnen zum Thema Stipendien fungieren. In einem ersten Austausch haben wir Informationen zusammengestellt, die an das Kollegium weitergegeben wurden. Alle Lehrkräfte sollten dafür sensibilisiert werden, in den diversen Konferenzen nicht nur über problematische SchülerInnen zu sprechen, sondern auch über diejenigen, die sich durch besonders gute Leistungen, besonderes Engagement im Schul- aber auch Privatleben auszeichnen oder die aufgrund ihrer Lebensumstände einer zusätzlichen Unterstützung bedürfen.
Wir möchten erreichen, dass alle KollegInnen über die Möglichkeiten der Stipendien aufgeklärt werden und mit einem veränderten Blick in ihre Lerngruppen gehen.

Wie finden Sie potenzielle KandidatInnen? Worauf achten Sie? Wie sprechen Sie diese an?

Im System Schule lässt es sich nicht verhindern, dass die SchülerInnen uns Lehrkräften meist durch Ihre guten oder schlechten schulischen Leistungen und ggf. ihr schulisches Engagement auffallen. Dennoch ist es von größerer Bedeutung, die SchülerInnen als Individuen zu betrachten mit dem bisherigen Lebensweg sowie den aktuellen Lebensumständen. Bei einem ersten Kennenlernen versuchen wir herauszufinden, welche Aktivitäten den Alltag der SchülerInnen bestimmen und suchen auf dieser Grundlage ein passendes Förderwerk oder eine passende Stiftung aus.

Wie sind die Reaktionen Ihrer SchülerInnen, wenn Sie ihnen die Idee vorschlagen, mit einem Stipendium gefördert zu werden?

Die SchülerInnen sind meist positiv überrascht, weil das Thema in ihrem Umfeld nicht präsent ist. Sie zeigen sich gerührt und dankbar, dass man sie unterstützen möchte. Oft sehen sie ihr Handeln als selbstverständlich und alltäglich und nehmen es nicht als etwas Außerordentliches wahr. Deshalb freuen sie sich umso mehr, dass es von einem Außenstehenden zur Kenntnis genommen wird.

Wie gehen Sie dabei vor, jemanden aktiv zu begleiten?

Die KandidatInnen werden von den Lehrkräften begleitet, die sie vorschlagen oder die für sie ein Empfehlungsschreiben/Gutachten erstellen. Unser Team steht beratend zur Seite, insbesondere während der ersten Schritte. 

Wie gehen Sie mit Fehlschlägen um?

Im ersten Moment ist man natürlich etwas enttäuscht und findet es schade für die betroffenen SchülerInnen, aber man rafft sich schnell wieder auf und glaubt daran, dass man in der nächsten Runde mit neuen KandidatInnen erfolgreich sein wird.

Was hat sich an Ihrer Institution/Schule verändert, seit das Thema Stipendien präsenter geworden ist?

Wir als Kollegium versuchen die Leistungen der SchülerInnen nicht nur an den Noten zu bemessen, sondern versuchen diese in ihrem persönlichen Lebenskontext zu betrachten. Eine mittelmäßige Note kann für das Individuum mit viel mehr Aufwand und Leistung verbunden sein, wenn es beispielsweise neben der Schule noch andere Aufgaben in der Familie übernehmen muss.

Welchen Tipp können Sie Schulen geben, die dieses Thema voranbringen wollen?

Ich kann ihnen empfehlen, einen Anfang zu machen. Auch wenn es etwas dauert bis der Stein ins Rollen kommt, bin ich mir sicher, dass sich der Ehrgeiz und die Geduld lohnen und man am Ende durch Erfolge und glückliche StipendiatInnen entlohnt wird.

Welches Angebot der StipendienKultur Ruhr haben Sie bereits genutzt? Was hat es Ihrer Schule gebracht?

Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Angeboten der StipendienKultur Ruhr gemacht. Die Workshops bieten einen guten Einstieg in das Thema Stipendien und helfen sehr, wenn man eine Stipendienkultur an der Schule etablieren möchte.  Darüber hinaus haben wir zu zweit am Werkstattseminar teilgenommen. Alle Veranstaltungen haben die Möglichkeit eröffnet, sich mit KollegInnen auszutauschen, die sich auf denselben Weg gemacht haben. Man konnte gemeinsam wichtige Punkte erarbeiten und von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren.

StipendienKultur Ruhr ist das gemeinsame Projekt von TalentMetropole Ruhr und dem NRW-Zentrum für Talentförderung der Westfälischen Hochschule mit dem Ziel, LehrerInnen über die Möglichkeiten zu informieren, jemanden für ein Stipendium vorzuschlagen oder mit einer Empfehlung zu unterstützen, bzw. SchülerInnen beim Auswahlverfahren zu begleiten. 
Das Projekt wird gefördert von der RAG-Stiftung.