Cordula Bego-Ghina – Studien- und Berufswahlkoordinatorin, Mitglied der Erweiterten Schulleitung an der Anne-Frank-Gesamtschule Dortmund

Inwieweit spielen Stipendien an Ihrer Schule eine Rolle? Warum halten Sie das Thema für wichtig?

Seit ca. vier Jahren spielt das Thema Stipendien eine immer größere Rolle an der Anne-Frank-Gesamtschule. Zwar hat es auch schon früher TeilnehmerInnen etwa am START Stipendium gegeben, aber das war eher ein Nischenthema. In der Zusammenarbeit mit dem Talentscouting ist es uns gelungen, das Thema zunehmend präsenter für die gesamte Schule - vor allem die Oberstufe - zu machen. Das gilt für das Schülerstipendium der RuhrTalente, aber auch für Studienstipendien. Unsere Schule, die seit diesem Schuljahr am Schulversuch „Talentschule“ teilnimmt, liegt im Dortmunder Norden und begreift sich als ein „Starkes Stück Nordstadt“. Für dieses Schuljahr haben wir uns das Motto „Eine Schule - tausend Talente“ gegeben. Da ist es doch nur konsequent, dass wir versuchen, vielen dieser Talente auch eine besondere Förderung zukommen zu lassen. 

Wie haben Sie die Vorschlags- und Empfehlungskultur systematisiert? (z.B. feste Ansprechperson, in Konferenzen etc.)

Über die Informationen in Lehrerkonferenzen, aber auch in den Dienstbesprechungen in den Abteilungen sind alle KollegInnen informiert, dass sie sich an mich als Ansprechpartnerin wenden können. Ebenso wissen dies auch alle SchülerInnen der Oberstufe. Zudem wende ich mich regelmäßig an die BeratungslehrerInnen (JahrgangstufenleiterInnen) der EF, Q1 und Q2 und wir überlegen, wer gezielt angesprochen werden sollte, wer die Empfehlungsschreiben verfassen kann usw. In diesem Verfahren spielen auch der zuständige Sozialarbeiter und die Talentscoutin eine wichtige Rolle. Außerdem sind natürlich unsere bisherigen StipendiatInnen präsent und sprechen ihrerseits MitschülerInnen an.

Wie finden Sie potenzielle KandidatInnen? Worauf achten Sie? Wie sprechen Sie diese an?

Sicher spielen auch die guten schulischen Leistungen und das fachliche Engagement der SchülerInnen eine klare Rolle, aber im Vordergrund stehen die Persönlichkeiten der KandidatInnen. So wissen wir von vielen unserer SchülerInnen, dass sie sich außenunterrichtlich engagieren, außergewöhnliche Lebensgeschichten mit Fluchterfahrung etc. haben, in ihren Familien und Communities wichtige Aufgaben übernehmen usw. Sehr häufig leben sie in einem Umfeld, in dem der Zugang zu akademischer Bildung nicht selbstverständlich ist. Wichtig ist stets die direkte, persönliche Ansprache der SchülerInnen durch ihnen vertraute Personen.

Wie sind die Reaktionen Ihrer SchülerInnen, wenn Sie ihnen die Idee vorschlagen, mit einem Stipendium gefördert zu werden?

Ganz oft sind die SchülerInnen zunächst baff, sehr erstaunt, dass sie in den Fokus einer Begabtenförderung gekommen sind. „Wieso ich?“ oder „Ich hab doch keine Talente“ - lauten die Standardantworten. Im näheren Gespräch kommt dann aber auch schnell Freude oder auch Stolz hinzu. „Ich leiste Außerordentliches und es wird wahrgenommen“ - dieses Bewusstsein setzt sich dann langsam durch. 

Wie gehen Sie dabei vor, jemanden aktiv zu begleiten?

Eine große Rolle spielt unsere Talentscoutin, aber auch die Lehrerin bzw. der Lehrer, der/die jeweils die engste Vertrauensperson ist und meist auch aktiv im Prozess etwa durch das Empfehlungsschreiben beteiligt ist. Bestärken, Mut machen und immer wieder auf die Talente hinweisen - ist hier an der Tagesordnung. Auch eine gezielte Vorbereitung auf das Bewerbungsverfahren versuchen wir zu leisten. Selbstvertrauen aufzubauen und zu demonstrieren, dass SchülerInnen die eigenen Stärken auch offensiv im Bewerbungsprozess darstellen dürfen. Mittlerweile können wir dabei auch auf die Unterstützung unserer StipendiatInnen zurückgreifen.

Wie gehen Sie mit Fehlschlägen um?

Fehlschläge sind im ersten Moment einmal eine echte Enttäuschung! Wir versuchen natürlich von Beginn an auch zu betonen, dass nicht jede Bewerbung zum Zuge kommt. Die SchülerInnen zu begleiten, die im Bewerbungsverfahren nicht erfolgreich waren, ist im schulischen Alltag nicht immer einfach. Wir weisen auf weitere Stipendienmöglichkeiten hin und versuchen den Fokus auch auf alternative Unterstützungsangebote z.B. Mentorenprogramme zu lenken. Bisher ist es uns so gelungen, dass auch die nicht erfolgreichen BewerberInnen sehr selbstbewusst ihren weiteren Übergang in den Beruf bzw. das Studium gegangen sind.  

Was hat sich an Ihrer Institution/Schule verändert, seit das Thema Stipendien präsenter geworden ist?

Die Wertschätzung, die die SchülerInnen bereits im Bewerbungsprozess, aber gerade auch als StipendiatInnen erfahren, wirkt in die Schulgemeinde zurück. Stolz, wachsendes Selbstvertrauen, Stolz auf das Geleistete, Wettbewerbsfreudigkeit und ein offensiverer Umgang mit Begabungen rücken in den Fokus. Für unsere Schule sind Stipendien Bestätigung der geleisteten und Ansporn für die anstehende Arbeit. 

Welchen Tipp können Sie Schulen geben, die dieses Thema voranbringen wollen?

Zunächst mal: Anfangen - es lohnt sich!!!