Ulrike Strajhar – Talentförderin am Pestalozzi Gymnasium in Herne

Wie gehen Sie bei der Ansprache der SchülerInnen und bei der Auswahl der Stipendienprogramme vor? Welche Rolle haben Sie dabei?

Seit vielen Jahren schlägt das Pestalozzi-Gymnasium Herne SchülerInnen für unterschiedliche Stipendienprogramme vor und begleitet sie durch Empfehlungsschreiben und Hilfen bei der Bewerbung um ein Stipendium auf ihrem Wege. 
Als Koordinatorin für Begabtenförderung bin ich Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Thema Stipendium. Doch ist die Stipendienberatung systemisch inzwischen so verankert, dass auch die Mittelstufen- und Oberstufen-Koordination diese im Blick haben und gemeinsam überlegen, welche SchülerInnen als mögliche StipendiatInnen in Frage kommen. In Förder- und Zeugniskonferenzen wird nicht nur über individuelle Fördermaßnahmen für SchülerInnen mit Lern- und Leistungsschwierigkeiten nachgedacht, sondern auch Fördermaßnahmen beraten, wozu auch beispielsweise eine Stipendienempfehlung zählt. Ebenfalls mit der Thematik vertraut sind unsere Lehrkräfte der Studien- und Berufsorientierung. Über sie kommt auch in regelmäßigen Abständen (ungefähr monatlich) ein Talentscout zu uns an die Schule, der zu Stipendien berät, insbesondere die SchülerInnen, die zuvor schon von Lehrkräften auf dieses Thema angesprochen wurden.


Wer erstellt bei Ihnen an der Schule die Empfehlungsschreiben?


Für die Empfehlungsschreiben engagieren sich die Kolleginnen und Kollegen, die die SchülerInnen am besten kennen. Dies können sowohl aktive oder ehemalige KlassenlehrerInnen oder Jahrgangsstufen-LeiterInnen sein. Oft kommen auch FachlehrerInnen zum Einsatz, die die SchülerInnen bereits seit mehreren Schuljahren begleiten und durch z. B. den Leistungskurs-Unterricht besonders intensiv durch viele Unterrichtsstunden kennenlernen konnten. Bei außergewöhnlichem Engagement unserer SchülerInnen  für das Schulleben formuliert auch die Schulleitung Empfehlungsschreiben.


Wie finden Sie potenzielle KandidatInnen?


Wichtig ist uns am Pestalozzi-Gymnasium, nicht nur die Leistungs- und Persönlichkeits-Entwicklung der SchülerInnen im Blick zu haben, wie sie im Unterricht zum Ausdruck kommt. Neben der Aufmerksamkeit hierauf nehmen den größten Teil der Empfehlungsschreiben unsere Beobachtungen des außerunterrichtlichen Engagements der SchülerInnen ein. So begleiten Kolleginnen und Kollegen beispielsweise die Gründung einer Arbeitsgruppe einer Schülerin zur Integration Neuzugewanderter an der Schule über mehr als ein Schuljahr hinweg und erleben die ansteckende Einsatzfreude, die Selbstständigkeit, die Kreativität, das Organisationstalent und die Zielstrebigkeit dieser Schülerin. All dies sind Eigenschaften und beobachtbare Schlüsselkompetenzen, die nicht nur ein wichtiges Auswahlkriterium für uns, sondern auch ein gewichtiges Element in den Empfehlungsschreiben darstellen.


Mit welchen Stipendien und anderen Förderprogrammen haben Sie und Ihre Schule bereits gute Erfahrungen gemacht?


Die Bandbreite der Stipendien-Programme ist groß. Wir fördern die Bewerbung für Stipendien noch während der Schulzeit (z. B. START), während der Ferienzeiten (z. B. Juniorakademie, Schülerakademie, Begabtenförderung durch Lernferien NRW, Summerschool der Konrad Adenauer Stiftung) oder im Anschluss an die Schulzeit während des Studiums (Begabtenförderungswerke wie z. B. Studienstiftung des Deutschen Volkes, Konrad Adenauer Stiftung, Avicenna-Studienwerk,…). Besonders positive Erfahrungen haben wir mit der Studienstiftung des Deutschen Volkes gemacht, wofür wir jedes Jahr unser schulisches Vorschlagsrecht nutzen und mehrere unserer AbsolventInnen vorschlagen. Während der Schulzeit sind zum einen die Summerschools der Konrad Adenauer hervorzuheben, die bereits einigen unserer SchülerInnen deutschlandweite Netzwerke eröffnet haben. Zum anderen sind die Lernferien NRW schon seit mehreren Jahren für einige unserer Sek I- und Sek II- SchülerInnen eine große persönliche Bereicherung gewesen. Für diese Angebote empfehlen wir SchülerInnen regelmäßig.


Warum setzen Sie sich persönlich so für das Thema Stipendien ein?


Stipendienprogramme bedeuten vielfach sicherlich zunächst eine finanzielle Unterstützung im Studium. Ich selbst war während meines Studiums Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Vielmehr als von den finanziellen Zuwendungen konnte ich in dieser Zeit von der ideellen Förderung profitieren, die mit dem Stipendium verbunden war: 
z.B. vom Besuch von Sommerakademien im Ausland als Möglichkeit zur Vernetzung mit hochmotivierten und sehr unterschiedlichen StipendiatInnen verschiedenster Studienrichtungen aus ganz Deutschland, von dem Blick über den Tellerrand der eigenen Studienfachrichtung hinaus oder dem Besuch eines Sprachkurses im Ausland - all diese Erfahrungen trugen immens zur Entwicklung meiner Persönlichkeit bei. 
Die Vernetzung hat teilweise Bestand über inzwischen mehrere Jahrzehnte und ermöglichte während des Studiums, aber auch darüber hinaus die Kontaktaufnahme zu AnsprechpartnerInnen im angestrebten Berufsfeld. Für meine SchülerInnen wünsche ich mir, dass sie ähnliche Erfahrungen wie ich machen können. 


Welche Tipps zur Stipendienberatung haben Sie für KollegInnen anderer Schulen?


Tatsächlich reagieren gerade SchülerInnen, die aus einem sozial schwierigen Umfeld kommen, häufig sehr skeptisch auf diese Idee einer Stipendienbewerbung und lehnen eine weitere Verfolgung des Gedankens sogar manchmal ab. Hier hilft es unserer Erfahrung nach, ausreichend zu informieren, auch die Eltern miteinzubeziehen und zu beraten und die SchülerInnen engmaschig auf dem Weg zur tatsächlichen Bewerbung um ein Stipendium zu begleiten.