Wenn dir jemand vor fünf Jahren erzählt hätte, dass du heute Stipendiat bist, was hättest du dieser Person gesagt?
Ich hätte im ersten Moment kurz aufgelacht und gesagt es wäre zu schön, um wahr zu sein. Vor fünf Jahren war ich im Begriff meine Ausbildung zu beginnen. Natürlich habe ich mich darauf sehr gefreut, wusste aber irgendwie damals schon, dass mir das noch nicht reicht. Ein Studium war mein Ziel, ein Stipendiat zu sein eine gefühlte Utopie, die sich als real gewordener Traum herausgestellt hat.
Du wurdest von deiner Schule für ein Stipendium bei der Studienstiftung des deutschen Volkes vorgeschlagen. Wie lief das ab und wie war es für dich?
Um ehrlich zu sein wusste ich bis zum Zeitpunkt der Zeugnisvergabe noch gar nichts von der Möglichkeit, ein Stipendium erhalten zu können. Nachdem mein damaliger Lehrer das Stipendium erwähnte, war ich natürlich sehr interessiert, habe meine Chance aber als sehr gering eingeschätzt. Erst als ich den Anruf von Frau Vogel (zuständig für die Talentförderung am Friedrich-List-Berufskolleg) erhielt, entfachte der Funke der Hoffnung. Erst durch sie erfuhr ich, dass meine Schule mich für die Studienstiftung des deutschen Volkes vorschlagen wollte. Natürlich erfüllte mich das mit Stolz – trotzdem war ich noch skeptisch, was meine Chancen anging.
Wie ging es dann weiter?
Nach dem Telefonat dauert es noch etwa zwei Wochen (mir kam es eher wie zwei Monate vor…), bis ich einen Brief der Stiftung bekam. Dieser beinhaltete eine Einladung zum Auswahlwochenende und erste Informationen bezüglich des Ablaufs und der Aufgabenstellung. Ein wesentlicher Teil des Auswahlwochenendes war ein von jedem Bewerber vorbereiteter Vortrag und eine anschließende Diskussion. Toll war es, dass wir in der Themenwahl völlige Freiheit hatten. Diese Flexibilität stellte sich jedoch als eine Art Januskopf heraus. So schön es war, jedes Thema wählen zu dürfen, genauso schwierig war es, zwischen allen Themen entscheiden zu müssen und das richtige für mich und die Bewerber, die als Diskussionspartner fungieren würden, herauszufiltern. Nachdem ich mich für ein Thema entschieden hatte, machte ich mich an die Arbeit und zählte die Tage bis zum Auswahlwochenende.
Wie war das Auswahlwochenende für dich und was hast du davon mitgenommen?
Das Auswahlwochenende war eine Achterbahn der Gefühle. Ich hatte natürlich ordentlich recherchiert und war vermeintlich auf alles vorbereitet. Das war natürlich so nicht der Fall… Insgesamt war es auf eine Art, wie ich es mir vorgestellt hatte, auf eine andere Art war es ganz anders und viel besser als ich es mir erhofft hatte. Zu Beginn wuchs meine Nervosität umso mehr, als ich erfuhr, dass ich als letzter Bewerber an der Reihe sein würde meinen Vortrag zu halten. Schnell wurde mir klar, dass meine MitstreiterInnen mehr als qualifiziert für das Stipendium waren. Trotz eines mitschwingenden Konkurrenzgedankens gestalteten sich die Vorträge und die daraus entstehenden Diskussionen als sehr konstruktiv, fair und nachhaltig inspirierend. Alle BewerberInnen präsentierten Themen auf ihre eigene Art aus verschiedensten Bereichen und meine anfängliche Nervosität wich der Vorfreude, mich selbst beweisen zu können.
Zusätzlich zu den Vorträgen standen noch zwei Einzelgespräche mit verschiedenen Referenten auf dem Plan. So schnell wie die Nervosität verschwunden war, übernahm sie wieder die Kontrolle. Die Referenten waren jedoch alle sehr zuvorkommend und gaben mir keinen Grund, mich unwohl zu fühlen. Das Gespräch folgte keiner starren Struktur, sondern verlief ganz natürlich und locker. Ich hatte die Möglichkeit, mehr über mich, meinen Hintergrund und meine Zukunftspläne preiszugeben, ohne mich wie in einem Verhör zu fühlen. Zusammenfassend konnte ich viel aus dem gesamten Wochenende mitnehmen und viele Kontakte knüpfen, die ich auch in Zukunft pflegen werde. Das Auswahlwochenende wäre also auch ohne die Zusage ein voller Erfolg gewesen, aber das ist und bleibt natürlich das Highlight.
Was erwartest du von deinem Stipendium?
Ich hatte bereits die Möglichkeit, erste Kontakte zu knüpfen und andere StipendiatInnen und ReferentInnen kennenzulernen. Da dies aufgrund der aktuellen Lage nur auf digitalem Weg geschah, hoffe ich an erster Stelle, in naher Zukunft persönliche Treffen zu erleben. Die Stiftung ermöglicht es mir, mich auf so vielen Ebenen zu entwickeln und das möchte ich optimal nutzen. Ob ich zuerst einen Sprachkurs im Ausland belege, sobald es die Corona Situation erlaubt, oder mich in einer der zahlreichen Akademien oder Kollegs engagiere, weiß ich noch nicht genau. Am liebsten würde ich alles parallel machen. Ich denke aber, die Stiftung ist der optimale Begleiter während meines Studiums, um Talente, von denen ich vielleicht selbst noch nichts weiß, zu fördern oder bestehende Interessen zu vertiefen. Als Botschafter der Stiftung hoffe ich zusätzlich weitere mögliche StipendiatInnen unterstützen, motivieren und inspirieren zu können. Ich denke mit Hilfe des Stipendiums kann es möglich sein, Ziele zu erreichen, die ich zuvor noch nicht einmal im Visier hatte.
Was würdest du anderen SchülerInnen raten, wenn es um das Thema Stipendien geht?
Mein erster und wahrscheinlich wichtigster Tipp: Verstell dich nicht! Das klingt vielleicht abgedroschen, ist aber wahr. Mein erster Impuls war ebenfalls, dass ich für eine Stiftung wie die Studienstiftung des deutschen Volkes absolut nicht geeignet bin. Mein Werdegang war von mehr als nur einem Umweg geprägt und heute bin ich nicht nur Stipendiat, sondern auch Botschafter für die Stiftung. Also informiert euch über möglichen Stipendien und zögert nicht, euch zu bewerben. Es geht um viel mehr, als nur perfekte Lebensläufe und Bestnoten.
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StipendienKultur Ruhr ist ein Projekt des NRW-Zentrums für Talentförderung der Westfälischen Hochschule. Ziel der Initiative ist es, Stipendien in den weiterführenden Schulen im Ruhrgebiet stärker zu etablieren und damit mehr SchülerInnen die Chance auf ein Stipendium zu ermöglichen. Gefördert wird das Projekt von der RAG-Stiftung, Partner ist die TalentMetropole Ruhr.